Der 24. Juni ist für das Deutsche Rote Kreuz und die gesamte weltweite Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung ein Datum von tiefgreifender historischer Bedeutung. An diesem Tag im Jahr 1859 tobte in der Lombardei die verheerende Schlacht von Solferino – ein Ereignis, das durch das unermessliche Leid der Verwundeten und die schockierende Erkenntnis fehlender medizinischer Versorgung einen Wendepunkt in der Geschichte der humanitären Hilfe markierte.
Das Grauen von Solferino und Henry Dunants Vision
Tausende Soldaten starben oder verbluteten auf dem Schlachtfeld, nicht nur durch die direkten Kampfhandlungen, sondern auch mangels jeglicher organisierten Hilfe. Zeuge dieses Elends wurde der junge Schweizer Geschäftsmann Henry Dunant. Was er sah, ließ ihn nicht mehr los: “Auf dem Boden lagen Tausende von Menschen, von denen viele noch lebten, aber langsam und qualvoll starben.” Dunant, zutiefst erschüttert, handelte sofort. Er mobilisierte die Zivilbevölkerung der umliegenden Dörfer, um Verwundete zu bergen und zu versorgen – unabhängig von ihrer Nationalität oder Uniformfarbe. Sein Aufruf "Tutti fratelli" (Alle Brüder) wurde zum inoffiziellen Motto dieser spontanen Hilfsaktion. Aus dieser unmittelbaren Erfahrung heraus entwickelte Dunant eine revolutionäre Idee, die er in seinem berühmten Buch "Eine Erinnerung an Solferino" festhielt: die Gründung von freiwilligen Hilfsgesellschaften zur Pflege verwundeter Soldaten in Kriegszeiten und die Schaffung eines internationalen Abkommens zum Schutz der Verwundeten und des medizinischen Personals.
Der Grundsatz der Menschlichkeit: Damals wie heute aktuell
Dunants Vision war der Keim dessen, was wir heute als den Grundsatz der Menschlichkeit kennen – den ersten und obersten der sieben Grundsätze der Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung. Er besagt, dass die Bewegung bestrebt ist, menschliches Leid überall und jederzeit zu verhüten und zu lindern. Ihr Zweck ist es, Leben und Gesundheit zu schützen und die Menschenwürde zu achten. Dieser Grundsatz, der aus dem Chaos und der Barbarei von Solferino geboren wurde, war damals revolutionär und ist heute aktueller denn je. In einer Welt, die weiterhin von Konflikten, Naturkatastrophen und komplexen Krisen gezeichnet ist, bleibt die Notwendigkeit, dem Leid entgegenzuwirken und die Würde jedes Einzelnen zu wahren, eine moralische Imperative.
Das Erbe von Solferino: Eine Bewegung für alle
Henry Dunants unermüdliches Engagement führte 1863 zur Gründung des "Internationalen Komitees der Hilfsgesellschaften für die Verwundetenpflege", dem Vorläufer des heutigen Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK). Ein Jahr später wurde die erste Genfer Konvention verabschiedet, die den Schutz von Verwundeten und Sanitätspersonal völkerrechtlich verankerte. Die Schlacht von Solferino und Henry Dunants Reaktion darauf waren der Funke, der eine weltweite Bewegung entzündete – eine Bewegung, die sich der Menschlichkeit verschrieben hat und die heute in fast jedem Land der Erde aktiv ist. Das Rote Kreuz und der Rote Halbmond sind zu einem universellen Symbol der Hilfe und Solidarität geworden, das über Grenzen, Kulturen und politische Systeme hinweg Brücken baut. Auch heute, 166 Jahre nach Solferino, sind die Bilder des Schlachtfeldes eine Mahnung und ein Auftrag zugleich. Sie erinnern daran, dass Menschlichkeit keine Option, sondern eine Notwendigkeit ist. Und sie bekräftigen unseren Einsatz für eine Welt, in der jedem Menschen in Not geholfen wird – getreu dem zeitlosen Vermächtnis von Henry Dunant und dem Grundsatz der Menschlichkeit.
„Helfen, ohne zu fragen wem!“
Henry Dunant
*08.05.1828 - † 30.10.1910
Begründer der Rotkreuz- & Rothalbmond-Bewegung